Mamma Roma 3
  • Cinema Italia

Mamma Roma

Pier Paolo Pasolini, Italien 1962 | 105 Min. | OmU
Anna Magnani, Ettore Garofalo, Franco Citti, Silvana Corsini

Als ihr Zuhälter und Vater ihres Kindes eine andere Frau heiratet, versucht „Mamma Roma“ (Anna Magnani) die Vergangenheit hinter sich zu lassen und ein neues Leben anzufangen: Sie zieht mit ihrem 16-jährigen Sohn, der auf dem Land in einem Internat aufgewachsen ist, in eine bürgerliche Gegend und betreibt einen Gemüsestand. Das neue gemeinsame Leben entpuppt sich als spannungsgeladener als geplant, und plötzlich erscheint auch der Zuhälter Carmine wieder, inzwischen von seiner neuen Frau getrennt, und stellt sie vor ein Ultimatum.

Wir zeigen den großartigen Klassiker Mamma Roma in restaurierter Fassung als zweifache Hommage: zum 50. Todestag der unvergleichlichen Anna Magnani, die hier eine ihrer eindrucksvollen Rollen spielte, und zum 101. Geburtstag von Pier Paolo Pasolini.

In Mamma Roma ist die Protagonistin die reine Verkörperung des städtischen Subproletariats mit ländlichem Ursprung. Sie beherrscht perfekt die Regeln und Gesetze der Unterschicht, die ewig am Rand lebt; und gleichzeitig hat sie eine verzweifelte Sehnsucht nach der Mitte: nach dem Leben der Reichen, der Guten, der „Weißen“. In ihrem subproletarischen Elend und kleinbürgerlichen Ideal sollte es für sie eigentlich kein Licht geben. Stattdessen führt die Liebe zu ihrem Sohn, einem unehelichen Kind, einem zarten Spross armer Leute, sie trotz allem zu einer Erfahrung, die über die Normen ihres Schicksals hinausgeht. Sie wächst über ihr Schicksal hinaus und gelangt sogar zu einem moralischen und sozialen Gewissen, das zwar nur ein Schrei ist, aber ein Schrei, der, wie ich hoffe, die Massen von Millionen glückseliger Angehöriger der oberen „Klassen“ aufregen und verstören wird.
Pier Paolo Pasolini

Mamma Roma basiert auf einer wahren Begebenheit: dem tragischen Tod eines jungen Häftlings im römischen Gefängnis Regina Coeli, der an ein Bett gefesselt war. Aus dieser Nachricht konstruiert Pasolini eine elliptische und metaphorische Geschichte, deren Protagonisten demselben Milieu angehören wie die von Accattone, seinem vorherigen Film, die aber in einem Moment gezeigt werden, in dem sie versuchen, einen Schritt weiter zu gehen, angezogen von der Möglichkeit einer für sie unmöglichen Befreiung. Mamma Roma wünscht sich für ihren Sohn etwas, wovon Accattone nicht einmal träumen konnte (eine Arbeit, ehrliche Freunde, einen religiösen Glauben), aber in ihrer Hingabe macht sie – aus einem Überschuss an Liebe – alles falsch.
Die Begegnung mit Anna Magnani leitete auch eine neue Phase in der Karriere von Pasolini ein, die zu einer Art stilistischem Merkmal werden sollte: die Verbindung von Laiendarstellern, die er auf der Straße oder aus dem Kreis seiner intellektuellen Freunde aussuchte, und professionellen Schauspielern von großer Persönlichkeit (neben Citti und Ninetto Davoli kamen nach Magnani Totò, Silvana Mangano und andere an der Reihe).
Die Stadt Rom wird ebenfalls zu einem erzählerischen Element. Der Versuch der Protagonisten, sich zu befreien, wird durch die Entwicklung der Landschaft, der Häuser und der Viertel, in denen sie leben, unterstrichen. Hervorzuheben sind die Streifzüge von Ettore über die Wiesen des Stadtrands, umgeben von römischen Ruinen und den hässlichen Wohnhäusern der angekündigten Moderne. Die Stadt wird zu einer drohenden Präsenz, in der es einerseits den illusorischen Wunsch nach sozialer Entwicklung gibt (vom Arbeiterhaus Casal Bertone geht es zum „modernen“ Gebäude INA-Casa, das mit ärmlichen, ultramodernen Möbeln aus Sperrholz und Metall ausgestattet ist), und andererseits die institutionellen Orte der Ablehnung und Ausgrenzung (die Kirche, das Krankenhaus, das Gefängnis).
Mamma Roma wurde 1962 bei den Filmfestspielen von Venedig gezeigt und löste schon vor der Vorführung eine heftige Verleumdungskampagne aus. Am Tag nach der Premiere in Venedig, die von Pfiffen und Protesten, aber auch von der Zustimmung der Kritiker begrüßt wurde, erstattete ein Oberst der Carabinieri Anzeige wegen „Verstoßes gegen das allgemeine Anstandsgefühl“. Eine Anzeige, die wie alle anderen später vom Gericht als unbegründet erachtet wurde.
(Piero Spila)

Pier Paolo Pasolini (1922 – 1975). Nach dem Studium der Kunstgeschichte an der Universität von Bologna ist er als Volksschullehrer im Ort Casarsa im Friaul tätig. 1950 zieht er nach Rom, wo er als Romanautor (Ragazzi di vita, 1955) und politischer Essayist zu arbeiten beginnt. Anfang der 1960er Jahre beginnt mit Accattone, Mamma Roma, Il Vangelo secondo Matteo seine Arbeit als Filmregisseur. Weitere Filme: Uccellacci e uccellini (1966), Edipo Re (1967), Teorema (1968), Porcile (1969), Medea (1969), Il Decameron (1971), I racconti di Canterbury (1972), Il fiore delle Mille e una notte (1974). Sein letzter Spielfilm entstand in seinem Todesjahr: Le 120 giornate di Sodoma.

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