Deserto rosso
Giuliana, die Frau eines Ingenieurs und Fabrikbesitzers in Ravenna, gerät nach einem Autounfall in Angstzustände: Mann und Kind werden ihr fremd, die künstliche Umwelt der Fabriken und Raffinerien, die neuen Technologien, die ihren Mann Ugo faszinieren, werden in ihrer Wahrnehmung bedrohlich, verwandeln sich in apokalyptische Visionen des Zerfalls. Nach einer kurzen Liaison mit einem Kollegen und Partner ihres Mannes kehrt sie jedoch ins alltägliche Leben zurück
Deserto rosso war Michelangelo Antonionis erster Farbfilm. Er schildert die psychische Krise seiner Heldin mit einer raffinierten, bewusst irrealen Farbdramaturgie. Es ist auch einer der ersten Filme, die sich Mitte der 60er Jahren mit den Folgen der Industrialisierung und Umweltverschmutzung auseinandersetzten. Monica Vitti spielte zum vierten Mal die Hauptrolle in einem Film von Antonioni und ist mit ihrer eindringlichen Darstellung hier auf der Höhe ihrer Kunst. Wir zeigen Deserto rosso auch als Hommage an die unlängst verstorbene großartige Schauspielerin.
Ich habe nie bewusst entschieden, den Film in Farbe zu drehen. Das hat sich von selbst ergeben, denn die Geschichte ist sozusagen in Farbe entstanden. Im modernen Leben scheint mir die Farbe einen sehr wichtigen Platz einzunehmen. Wir sind von farbigen Gegenständen umgeben, ein sehr modernes Element wie Plastik ist zum Beispiel farbig. In dem Film habe ich versucht, die ausdrucksvolle Funktion der Farbe zu nutzen, die Farbe sollte dazu beitragen, den Ton zu setzen, den jede Szene benötigt.
Michelangelo Antonioni
Antonioni erlebte am Set von Il Deserto rosso (Goldener Löwe für den besten Film bei den Filmfestspielen von Venedig 1964) einen Zustand der Gnade, denn er hatte zum ersten Mal die Möglichkeit, mit Farbe zu arbeiten und drehte einen Film von außergewöhnlicher visueller Eleganz. Der Schauplatz ist postindustriell: Ravenna als Geisterstadt, die von Nebel und Fabrikabgasen heimgesucht wird, deren Horizont von Masten, Rohren und gigantischen Antennen gezeichnet ist und deren Bäche und Flüsse durch Industrieabfälle verschmutzt sind. Vor diesem apokalyptischen Hintergrund wirken die Figuren wie aus einem weltlichen Krippenspiel, sie bewegen sich nur aus beruflichen Gründen (Corrado, gespielt von Richard Harris) und erhalten erst durch die Manifestation seelischer Unruhe (Giuliana, eine außergewöhnliche Monica Vitti) erzählerische Tiefe. Antonioni fühlt sich vor allem von der verletzten Natur angezogen, er färbt sie ein und verwandelt sie bis zur Abstraktion
Antonioni ist in diesem Film pessimistischer denn je, lässt aber dennoch Hoffnungsschimmer zu. In der letzten Szene des Films geht Giuliana mit ihrem Sohn spazieren. Aus dem von den Rohren durchdrungenen Boden treten Dampfstrahlen aus, gelblich gefärbte Gase verbreiten sich am Himmel. „Was ist das?“, fragt das Kind. „Gifte“. „Dann sterben die Vögel, die da durchfliegen?“ „Nein, die Vögel haben gelernt, sie zu erkennen und meiden sie.“ Mehr als fünfzig Jahre später ein Satz und ein Wunsch, der sich an die Menschen von heute zu richten sein scheint.
Piero Spila (Originalbeitrag)
Michelangelo Antonioni (1912, Ferrara – 2007, Rom) Nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften studierte er am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom. Er arbeitete im Umkreis Zeitschrift „Cinema“ und debütierte 1943 mit dem Dokumentarfilm Gente del Po. Nach Kriegsende arbeitete er mit Federico Fellini, Luchino Visconti und Giuseppe De Santis zusammen, bevor er 1952 seinen ersten Spielfilm Cronaca di un amore drehte. Internationale Aufmerksamkeit erlangte er Anfang der 1960er Jahre mit L’avventura, L’eclisse und L’eclisse, für die er in Cannes und bei den Berliner Filmfestspielen ausgezeichnet wurde. Deserto rosso gewann beim Filmfestival von Venedig, während Blow-Up in Cannes mit der Goldenen Palme prämiiert wurde. Im Jahr 1983 wurde er bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Zwei Jahre später unterbrach ein Schlaganfall seine Karriere. 1995 drehte er einen letzten Film zusammen mit Wim Wenders, Nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften studierte er am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom. Er arbeitete im Umkreis Zeitschrift „Cinema“ und debütierte 1943 mit dem Dokumentarfilm Gente del Po. Nach Kriegsende arbeitete er mit Federico Fellini, Luchino Visconti und Giuseppe De Santis zusammen, bevor er 1952 seinen ersten Spielfilm Cronaca di un amore drehte. Internationale Aufmerksamkeit erlangte er Anfang der 1960er Jahre mit L’avventura, L’eclisse und L’eclisse, für die er in Cannes und bei den Berliner Filmfestspielen ausgezeichnet wurde. Deserto rosso gewann beim Filmfestival von Venedig, während Blow-Up in Cannes mit der Goldenen Palme prämiiert wurde. Im Jahr 1983 wurde er bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Zwei Jahre später unterbrach ein Schlaganfall seine Karriere. 1995 drehte er einen letzten Film zusammen mit Wim Wenders,Al di là delle nuvole/Jenseits der Wolken.