Der Junge Und Die Welt Frontpage

    Der Junge und die Welt

    Alê Abreu | Brasilien 2014 | Digital | 80 Min.

    Die Arme und Beine des kleinen Cucas sind schmal wie Nähgarn und der Kopf rund wie ein Fußball oder wie die Weltkugel, die er mit neugierigem Blick erkundet. Sein Interesse gilt all jenem, was er in und um sein Dorf entdeckt. Blumen, Fische, Vögel, aber auch die Klänge und Melodien, die sich vor seinen Augen in schillernde Farben verwandeln, fesseln seine Aufmerksamkeit. Leicht ist er, leicht wie eine Feder und so passiert es schon mal, dass der Wind ihn ergreift und bis hoch oben in die Wolken trägt, von wo er eine besondere Aussicht auf die Erde bekommt. Doch Cucas Leben erfährt eine harte Landung als sein Vater die Familie verlässt, um in der Stadt Arbeit zu finden. Kurzentschlossen macht sich der kleine Junge mit gepacktem Koffer auf, seinen Vater zu suchen, in der Hoffnung die Familie wieder zusammen zu bringen.

    Die Reise des Jungen entfaltet sich bildgewaltig mit jeder neuen Station, immer verschiedener und komplexer werden die Animationen. Das Dorf noch in feinen, minimalistisch gehaltenen Skizzen gezeigt, erscheinen die von Baumwollfeldern gesäumten Landstraßen in pastellfarbenen breiten Pinselstrichen, die sich in wilden Wellen verlieren. Die Stadt entsteht vor den Augen Cucas aus verschiedenen Collage Techniken im Strudel bunter Farben. Explodierende Feuerwerkskörper erleuchten den Himmel über den zusammen gestückelten Favelas, während Neonwerbung und grelle Schaufenster die Straßen erhellen. Ohne Dialoge beschreibt der Film auf besondere Weise den Konflikt zwischen arm und reich, Land und Stadt, indigenen Einwohnern und Weißen, Handarbeit und industrialisierter Arbeit – doch durch das drunter und drüber der Stadt vernimmt man das Schlagen der Herzen der Menschen wie ein Song.

    ZUR ANIMATIONSTECHNIK:

    In DER JUNGE UND DIE WELT nähert sich Alê Abreu so nah als möglich seiner Hauptfigur, indem er den Blickwinkel des Kindes zur narrativen und ästhetischen Voraussetzung macht. „Ich versuchte nicht unbedingt wie ein Kind zu zeichnen, aber ich suchte dieselbe Freiheit, die Kinder haben, wenn sie zeichnen“. In DER JUNGE UND DIE WELT kombiniert Alê Abreu frei wie ein Kind verschiedenste Arten von Farben und Techniken: Von der Ölfarbe bis zum Kugelschreiber ist vieles vertreten. Wie es der Filmbeginn darstellt, beruht der Stil von Alê Abreu auf dem Fluss und Rückfluss von Leere und Fülle. Eine weiße Seite, die sich nach und nach füllt und sich wieder auflöst und sich neu definiert gemäß intuitiven klanglichen oder sinnlichen Harmonien. „Das Weiß ist wie ein Kind, das auf die Welt kommt“, sagt der Regisseur, „und beginnt zu lernen und Wissen zu speichern. Weiß ist auch ein metaphysisches Symbol. Seine fast spirituelle Präsenz den ganzen Film lang verstärkt die Idee, dass die Welt etwas sehr kleines und begrenztes ist. Wir sind von Unbekanntem und von Leere umgeben, und das reißt uns hin und her und stellt uns die Frage: Woher kommen wir? Wohin gehen wir?“Alê Abreu hat alle Dekors sowie die Animationen selbst gezeichnet, aber alles in allem haben 150 Künstler und Techniker, darunter 20 Trickfilmspezialisten am Film DER JUNGE UND DIE WELT 5 Jahre lang gearbeitet.