Bilder der Welt und Inschrift des Krieges
Wie findet man aus 50 Jahren Programm einen einzigen Film, der zum Jubiläum der Kinemathek passt? Am besten lässt man sich vom passenden Film finden, so mein Vorhaben. Ich blätterte also etwas ziellos, beginnend von der ersten Ausgabe an, durch die gescannten Seiten der vergangenen Jahre und vertiefte mich in die Programmreihen, Filmtitel und Ankündigungen. Werner Nekes, Jürgen Böttcher, Volker Koepp und viele andere waren mit ihren Filmen in Karlsruhe zu Gast. Mein Blick setzt sich dann an „Bilder der Welt und Inschrift des Krieges“ fest. Blick ist hier schon der zentrale Begriff für Farockis Essayfilm von 1989. Der Blick des Menschen, sein Auge und die Wahrnehmung der Welt und der Bildwelt nehmen eine ebenso zentrale Stellung ein wie der technische Aspekt der Bildproduktion. Was machen die Apparate mit den ganzen Bildern und was machen wir mit diesen Apparaten? Farocki hat sich immer wieder mit dem Thema der Bildproduktion auseinandergesetzt. Seine Schwerpunkte reichen hierbei vom kapitalistischen Interesse hin bis zum militärischen Nutzen der Bilder, wie in diesem Film. „Aufklärung ist ein Begriff aus der Moderne, Aufklärung ist ein Begriff aus der Militärtechnik“. Farocki selbst gilt seit jeher als künstlerischer Aufklärer und bietet uns ein breites Tableau aus bewegten Bildern, Dokumenten und Tönen. Doch schon die ersten Sätze des Films sollen uns zu einer assoziativen Wahrnehmung anregen. „Brandet das Meer an das Land, unregelmäßig, nicht regellos, so bindet diese Bewegung den Blick ohne ihn zu fesseln und setzt Gedanken frei.“ Im Folgenden führt uns Farocki durch eine Vielzahl von assoziativ angeordneten Elementen. Die Erfindung des Messbildverfahrens von Meydenbauer im 17. Jahrhundert, die Anfänge der automatisierten Bildverarbeitung oder der Einfluss der Fotografie auf die Menschen vor und hinter der Kamera sind wiederkehrende Aspekte. Es sind gleich mehrere rote Fäden, die Farocki durch seinen Film zieht und es uns überlässt, einen davon aufzugreifen und ihm zu folgen. Das Wechselspiel von Bewahren und Zerstören in der Geschichte der Menschheit, die Frage nach dem Blick des visuellen Reproduktionsapparates oder wie man das Thema des Holocaust und der Vernichtungslager überhaupt filmisch thematisieren kann. Der Film wurde damals viel diskutiert und verhalf Farocki zu seiner ersten internationalen Wahrnehmung. Heute, im Zeitalter von KI, Augmented und Virtual Reality, stellen sich die gleichen Fragen. Das macht den Film zu einem zeitlosen Dokument, das auch aufgrund seiner Struktur immer wieder neu gesehen werden kann. (Text von Nils Menrad)
