Südkorea, Anfang der 2000er – das nationale Kino blüht auf, und mit ihm eine neue Welle des psychologischen Horrors, fernab westlicher Jump-Scare-Monotonie. A Tale of Two Sisters (Janghwa, Hongryeon) ist dabei nicht nur einer der ersten südkoreanischen Horrorfilme, der internationalen Erfolg feiert, sondern auch einer der subtilsten, traurigsten und visuell durchkomponiertesten Genrebeiträge der letzten Jahrzehnte.
Basierend auf einem koreanischen Volksmärchen, das Kim Jee-woon durch die Linse des psychologischen Dramas neu interpretiert, erzählt der Film die Geschichte der beiden Schwestern Su-mi und Su-yeon, die nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik ins abgelegene Haus ihres Vaters zurückkehren. Dort wartet nicht nur die unheimlich kühle Stiefmutter, sondern auch eine Atmosphäre, die von Anfang an zwischen Trauer, Schuld und Wahnsinn oszilliert.
Kim Jee-woon, der später mit I Saw the Devil und The Good, The Bad, The Weird internationale Genre-Statements ablieferte, inszeniert hier mit chirurgischer Präzision. Jeder Kamerawinkel, jeder Schattenwurf, jede Farbpalette ist sorgfältig komponiert, fast schon painterly – ein Horrorfilm als kunstvoller Fiebertraum. Dabei geht es weniger um das Was, sondern um das Wie. Die Geister, die hier erscheinen, sind keine bloßen Erschrecker – sie sind Manifestationen unterdrückter Erinnerungen, psychischer Abgründe, familiärer Traumata.
Im Zentrum: die junge Im Soo-jung als Su-mi – fragil, stark, zerbrechlich, manisch. Ihre Perspektive bestimmt die narrative Realität, die immer wieder kippt, sich verzerrt, neu zusammensetzt. Kim jongliert geschickt mit verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung, ohne sich im Twist-Labyrinth zu verlieren. Der Film verlangt Aufmerksamkeit – und belohnt mit emotionaler Tiefe, wie man sie im Horror sonst selten findet.
Wo westlicher Horror oft Externalisierung betreibt – das Böse ist draußen, die Lösung eine Waffe – kehrt A Tale of Two Sisters alles nach innen. Das Haus wird zum Spiegel der Seele, das Trauma zur Architektur. Und der Horror? Der liegt weniger in der Geistererscheinung als in dem, was nicht gesagt, nicht verarbeitet, nicht erinnert wird.
Fazit:
Ein melancholischer, verstörend schöner Horrorfilm, der unter die Haut und ins Herz geht. A Tale of Two Sisters ist kein Film für den schnellen Schock – sondern ein slow burn, der noch lange nachglimmt. Ein Meilenstein des asiatischen Horrorkinos, poetisch wie schmerzhaft.





