Anlässlich ihres 20. Geburtstags bietet die Alfred Ehrhardt Stiftung drei Jubiläumsprogramme mit neudigitalisierten und farbrestaurierten Kurzfilmen von Alfred Ehrhardt an.
Für den am Bauhaus geschulten Naturfilmer Ehrhardt, einen der bedeutenden Fotografen der Neuen Sachlichkeit, ist der Film primär Bildkunst. Optisches Erzählen mit modernen, elektronischen Musikkompositionen kennzeichnet seine Filme. Seine musikalische Ausbildung und die künstlerische Prägung im Bauhaus schlugen sich in der Beschäftigung mit Abstraktion, Archaik, Urform, Oberflächenstruktur, Materialverhalten, Ornament, Rhythmus, Polyphonie und Serialität nieder. Die vom Hamburger Filmhistoriker Thomas Tode kuratierten Programme umfassen 12 preisgekrönte Tonfilme, restauriert mit Mitteln der Filmförderungsanstalt in 4K Qualität im Rahmen der Digitalisierung des deutschen Filmerbes.
Thomas Tode wird die drei Filmprogramme mit Vorträgen begleiten.
Herzlichen Dank an die Alfred Ehrhardt Stiftung, die uns das Material dafür zur Verfügung gestellt hat.
Thomas Tode arbeitet in Hamburg als freier Autor, Kurator (u.a. Hamburger Kinemathek, Cinepolis – Architektur & Stadt im Film) und Filmemacher. In seiner Forschung und Lehre (Universitäten Hamburg, Bochum, Zürich und Wien) beschäftigt er sich mit dem Essayfilm, der sowjetischen Avantgarde und dem politischen Dokumentarfilm. Ein besonderes Interesse gilt Filmen über Architektur, Archäologie und „Umerziehung“.
Zu den von Tode kuratierten Filmprogrammen, Symposien und Ausstellungen gehören „Angesichts des Äußersten: Die Filme über die Befreiung der Konzentrationslager und der lange Schatten der Bilder“ (Univ. Hamburg, 2015), „Die erwartete Katastrophe. Luftkrieg und Städtebau 1940-45“ (Freie Akademie der Künste Hamburg, 2013), „PhotoFilm!“ (National Gallery of Art Washington, 2012; Tate Modern London, 2010) und „bauhaus & film“ (Barbican Centre London, 2012; Weimar, Dessau, Berlin, Hamburg 2009), für die er verloren geglaubte Film- und Lichtinstallationen von Bauhaus-Künstlern aufspürte.
Programm
Kurzbiografie des Filmemachers Alfred Ehrhardt von Thomas Tode
Für den am Bauhaus geschulten Filmemacher Alfred Ehrhardt, einen bedeutenden Fotografen der Neuen Sachlichkeit, ist Film primär Bildkunst. Ehrhardt (1901-1984) gehört mit seinen über 50 Filmen und seinen über 20 Fotografie-Bildbänden zu den wichtigsten Filmemachern und Fotografen der Bauhaus-Tradition. Für seine Filme erhielt er zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen, darunter vier Bundesfilmpreise. 1948 wurde er gar als der „bedeutendste deutsche Nachkriegs-Kulturfilmschöpfer“ betitelt, heute würden wir eher von einem Altmeister des experimentellen Kultur- und Dokumentarfilms sprechen. Insbesondere in den Filmen Spiel der Spiralen, Tanz der Muscheln und Korallen – Skulpturen der Meere orientierte er sich an der Avantgardefotografie und am absoluten Film der 1920er Jahre – Werke, die noch heute von herausfordernder Modernität sind.
Ehrhardt war zunächst Orgelmusiker, Komponist, Maler und Kunstpädagoge, bevor er seine Interessen auf Fotografie und Film verlagerte. Nachdem er bereits als Kunstlehrer gearbeitet hatte, ließ er sich beurlauben, um am Dessauer Bauhaus 1928/29 zu studieren, vor allem bei Josef Albers. Er hospitierte auch bei Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer. 1930 wurde er an die Landeskunstschule Hamburg (heute: Hochschule für bildende Künste) berufen und leitete den ersten Vorkurs für Materialkunde außerhalb des Bauhauses. 1933 entließen ihn die Nationalsozialisten wegen seiner Bauhaus-Nähe und seiner modernen Kunsteinstellung. Er zog sich aufs Land zurück und nahm 1934 eine Stelle in seinem ersten Beruf als Organist und Chorleiter in Cuxhaven an. Dort erst wandte er sich der Fotografie und ab 1937 dem Film zu. In diese Zeit fallen seine ersten Fotoexkursionen im Elbe-Weser-Wattengebiet. Ehrhardt hatte schnell erkannt, dass „die Kamera das unverfänglich produzierte, was zu malen verboten – entartet – war“. 1937 erschien auch Ehrhardts erster Bildband „Das Watt“, der heute zu den herausragenden Bildleistungen der Avantgarde der 1930er Jahre gezählt wird, etwa in Martin Parrs und Gerry Badgers Standardwerk „The Photobook. A History“ (London 2004, S. 112).
Seine musikalische Ausbildung als auch die künstlerische Prägung im Bauhaus schlugen sich in seinem filmischen Werk deutlich nieder, etwa in der Beschäftigung mit Abstraktion, Archaik, Urform, Oberflächenstruktur, Materialverhalten, Ornament, Rhythmus, Polyphonie und Serialität. Seine bereits in Malerei und Grafik angedeutete romantisch-metaphysische Weltsicht offenbart sich auch im Film in einer sich zeitlich entfaltenden, meditativen Naturbetrachtung. In meisterhaften Kompositionen nimmt er die „Lichtspiele“ der Natur mit der Kamera auf, zeigt ihre Arbeit als „Formmeister“ an Watt- und Sandstrukturen oder beim architektonischen Aufbau von Tiergehäusen. Schnecken und Muscheln drehen sich in einem abstrakt schwarzen Raum, legen ihre Baugeheimnisse bloß, zuweilen ‚gezeichnet‘ von farbigen Wuchsmerkmalen, die an abstrakte Kandinsky-Gemälde mahnen. Es geht um medial sichtbar gemachte Lebensprozesse, die nur die Film- und Fotokamera enthüllen kann. Unser ‚unbewaffnetes‘ Auge ist nicht fähig, sie zu erkennen, daher der Einsatz von genuin filmischen Techniken wie Zeitraffer, Zeitlupe, Mikro- und Makroaufnahmen.